Alchimie des Blicks
Mein Bemühen, die Bildsprache zu erweitern, die Ausdrucksformen des Films zu erneuern, stellt mich in den Bereich der „physica curiosa". Meine filmästhetische Position läßt mich meine Verehrung für all die Erfinder des Films und all die Entdeckungen der Praekinematographie ausdrücken.
Meine filmkünstlerische Reflektion führt mich zu den Quellen, zu den Alchimisten des "visuellen Goldes". (...) mehr...
Ein Beitrag von Werner Nekes zum "International Symposium on Theory of Film" im "Center for Twentieth Century Studies at the University of Wisconsin, Milwaukee".Ich möchte eine allgemeine Einführung in das Wesen des Filmsgeben. Jemand erwähnte vorhin den Titel eines meiner Filme. Er sprach es T Wo Men aus. Meine Aussprache ist TWOMEN, und diese Aussprache ist die Verbalisierung der visuellen Anstrengung, die das Hirn zu leisten hat, wenn es Bilder in Filmen liest. Ich habe diesen Titel wegen seiner programmatischen Qualitäten ausgewählt, sie treffen das Zentrum des Films. (...) mehr...
Spreng-Sätze zwischen den Kadern
(Zuerst erschienen in "Hamburger Filmgespräch IV", Hamburg 1972; hrsg. von der Hamburger Gesellschaft für Filmkunde.)
„Der lächerliche Irrtum ist nur zu bewundern, daß die Leute meinen - sie sprächen um der Dinge willen. Gerade das Eigentümliche der Sprache, daß sie sich bloß um sich selbst bekümmert, weiß keiner ... Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache wie mit den mathematischen Formeln sei - Sie machen eine Welt für sich aus - Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur aus, und eben darum sind sie so ausdrucksvoll - eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnisspiel der Dinge". Novalis, Monolog 1798.
Sprache ist das auf Mitteilung geistiger Inhalte gerichtete Prinzip. Nach der phonetischen Sprache entwickelten sich die ideographische Schrift und die phonetische Schrift. Ebenso bildeten sich die Sprachen der Mathematik, der Musik und unter anderen auch die des Films. (...) mehr...
Von der Wunderscheibe zur Wirbelbüchse oder vom Thaumatrop zum Hurrycan
(Beitrag für das lnformationsblatt zum Film)
Unglaubwürdige Freunde versicherten mir, daß es Beobachter der Entwicklung des Babys "Filmsprache" in großer Anzahl gäbe. All diesen habe ich die große Freude mitzuteilen, daß es ein Fest des Sehens zu feiern gilt. Der Säugling ist kein Säugling mehr. Ein entscheidender technologischer Entwicklungsschub ist vollendet. Die Literatur, die Papierwindel des Films, wird nicht mehr benötigt
Was im folgenden in der Verbalisierung manchem kompliziert erscheinen mag, ist auf der Leinwand zumeist mühelos und lustvoll erfahrbar. Es handelt sich um das Wesen der Filmsprache. (...) mehr...
Die schöpferische Kraft des Lichts
Licht, dass durch eine kleine Öffnung in einen dunklen Raum eindringen kann, transportiert das Bild der Außenwelt in die Camera Obscura. Scharfsinnige Chinesen wie Mo Zi aus der Mathematikerschule der Mohisten erkannten vor 2500 Jahren, dass Licht, das oben blockiert wird, unten in der Kammer den Schatten wirft und umgekehrt. Da Licht sich geradlinig ausbreitet, steht es im Innenraum auf dem Kopf. Sie waren genauer als wir, indem sie die Bilder im Innenraum als farbige Schatten bezeichneten. Deshalb ist auch die Verwendung des Begriffs Schattenkammer für die Camera Obscura richtig. Die Mohisten erklärten unter anderem auch die Beziehung zwischen einem Körper und seinem Schatten. Der Schatten eines vorbei fliegenden Vogels scheint auch in der Camera Obscura zu fliegen. Sie erkannten dies als Illusion. Denn nur für eine sehr kurze Zeitdauer blockiert der Vogel das Licht und bildet sich ab. Dieser Bildeindruck verschwindet jedoch augenblicklich, und ein neuer Schatten baut sich auf und blockiert einen weiteren Lichtstrahl. Tatsächlich sieht man eine unendliche schnelle Folge von entstehenden und verschwindenden Schatten. Sie folgerten, ein Schatten ist immer unbeweglich Auch unsere Fähigkeit, schnell aufeinander folgende, stehende Filmbilder als eine bewegte Bildfolge wahrzunehmen, beruht auf dieser Erkenntnis. (...) mehr...
Bildwelten
erschienen in: "Sehsucht. Über die Veränderung der visuellen Wahrnehmung"
Steidl Verlag, Göttingen, 1995, ISBN: 3-88243-350-7
Befrage ich mich als bildender Künstler, Filmmacher oder - wie es jetzt heißt - als Medienkünstler zu meiner großen Sehnsucht, der Sehsucht, dann gestehe ich, daß ich mit großer Lust Bildwelten eräuge und gerne meine Wahrnehmung täusche. Bild an Bild reihe ich als Filmmacher aneinander und wickle diese zu einer großen Rolle um einen Kern. Raum- und Zeitdimensionen fügen sich zu einem Kontinuum, das sich beliebig wiederholbar abrollen läßt. Wie ich zum Festhalten der Bilder auf dem langen Bildstreifen Licht benötige, so benötige ich auch wieder Licht, um die Bilder beim Abwickeln auf eine Wand werfen zu können. Als Medienkünstler nutze ich zur Übertragung oder Erzeugung meiner Bildwelten ein Medium. Das Medium ist der Wortbedeutung nach der Vermittler zwischen Geisterwelt und Wirklichkeit. Der Baumeister der Geisterwelt ist der Magier, er schafft die Geisterwelt, und er hat Zugang zu ihr. Er kann bisher nicht Gesehenes sichtbar machen oder das, was man sieht, zum Verschwinden bringen. Er wird zum Beherrscher der Gesetze von Raum und Zeit, unter Nutzung der Alchimia und der Physica euriosa. mehr...