Schattentheater-Fest Oberhausen

Pressespiegel
WAZ
14.10.1993
Aus der Hand gezaubert
Eine Bilanz der Schattentheater-Tage in Oberhausen
MICHAEL SCHMITZ

Um die entführte Prinzessin befreien zu können, wurde fleißig gemetzelt. Katze und Maus versuchten, schmackhaftes Öl zu stehlen. Szenen aus zwei asiatischen Schattenspielen. Sechs Tage gastierten führende Protagonisten des internationalen Schattentheaters in Oberhausen.

Das weltweit wohl erste Schattentheaterfest dieser Art, vom Mülheimer Medienkünstler Prof. Werner Nekes initiiert und organisiert, lockte einige tausend Besucher aus Deutschland, und dem benachbarten Ausland in die Emscher-Metropole. Die Gruppen aus China und Thailand, aus Indien, Bali, Griechenland, der Türkei und Ägypten unterhielten das Publikum mit einer hier fremden Kunstform, eingebettet in eine Ausstellung mit internationalen Schattenfiguren.

Es brillierte der indische Handschattenspieler Prasanna Rao, der eine Vielzahl kleiner Kurzfilme mit zehn Fingern auf die Leinwand zauberte, der Kennedy, de Gaulle oder Churchill im blitzschnellen Wandel mit seinen Händen zu Charakterköpfen formte. Da gab es aber auch eine streng choreografierte, von buddhistischen Mönchen geführte Figurenschau; außerdem das wohl "westlichste" Spiel des griechischen Künstlers Evgenios Spatharis. Und ein unglaublicher Höhepunkt - das über Jahrtausende tradierte Spiel des balinesischen Dalang Wayan Wija zum Schein einer Öllampe und dem Tanz der Lederpuppen der indischen Nimmalakunta Puppet Group. Ob es kleine Fabeln aus der Tierwelt waren, Liebes- und Leidensgeschichten aus uralten Königshäusern, die märchenhafte Lebensnähe, mit der die zumeist aus Rinderhaut gefertigten Figuren die kleinen und oft auch widerspenstigen Feinheiten eines exotischen Alltages schattierten, war phänomenal. Sie öffnete einen hier gänzlich neuen Blickwinkel auf den Umgang mit Medien. 16 zum Teil mehr als ausverkaufte Vorstellungen, davon drei im Mülheimer Ringlokschuppen, füllen die Haben-Seite der Bilanz des Festivals, dessen 630 000-DM-Etat u. a. von der NRW-Stiftung Kunst und Kultur, dem KVR, dem Verein Pro Ruhrgebiet und dem Wuppertaler Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit in NRW und der Stadt Oberhausen finanziell unterstützt wurde. Auf der Soll-Seite stehen Politik und Verwaltung in Oberhausen, die die internationale Dimension dieses Festes offenkundig fatal unterschätzt haben. Daß zur Begrüßung der Gäste, darunter Botschafter, und weitere Diplomaten nicht nur der beteiligten Länder, weder der Oberbürgermeister noch einer seiner beiden Stellvertreter kamen, war dann doch recht blamabel.
MICHAEL SCHMITZ

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