Schattentheater-Fest Oberhausen

Pressespiegel
Rainer Reusch
Internationales Schattenspiel-Zentrum Schwäbisch Gmünd
09.09.1993
INTERNATIONALES
SCHATTENTHEATERFEST
OBERHAUSEN
-EIN JAHRHUNDERTFESTIVAL

Man muß mit Superlativen sorgsam umgehen. Aber was da vom 6.-10. Oktober in Oberhausen/ Ruhrgebiet über die Bühne ging, das verdient die Prädikate "einmalig und grandios". Zehn(!) Schattentheater mit bis zu 20 Akteuren waren aus dem Nahen und Fernen Osten angereist und stellten an fünf Tagen ihre faszinierende Kunst vor. Wo gab es das jemals zuvor?

Die Bühnen (in der Reihe ihres Auftritts)-.
Prasanna Rao, Indien
Wat Khanon Troupe, Thailand
Orhan Kurth, Türkei
I Wayan Wija, Bali
Zaki EI Heresh, Ägypten
Suchat Supsin, Thailand
Evgenios Spatharis, Griechenland
Schattentheatergruppe der Stadt Xi'an, China
Metin Özlen, Türkei
Nimmalakunta Puppet Group, Indien,

Im Rahmenprogramm Vorträge von Experten, Workshops,    eine Schattenfigurenausstellung des Deutschen Ledermuseums Offenbach und Filmvorführungen. Etwas Vergleichbares gab es unseres Wissens noch nie in Europa und wird es wohl in dieser Form kaum noch einmal geben. Umso unverständlicher, daß die Stadt Oberhausen zu diesem werbewirksamen Spektakel kaum finanzielle Unterstützung gewährte und zu der Eröffnung des Festivals keinen offiziellen politischen Vertreter sandte. Wenn das Schattenfest trotzdem stattfand, so ist dies der Bereitschaft zum finanziellen Risiko, dem Mut und Engagement eines großen Filmemachers und einer messeerfahrenen Organisatorin zu verdanken: Professor Werner Nekes und Uschi Richert.

Der Künstler Werner Nekes (Jahrgang 1944, Lehrauftrag an der Kunsthochschule für Medien in Köln, Gastvorlesungen an Universitäten, Kunst- und Fachhochschulen in Amerika und Europa, als Filmemacher weltbekannt - "Uliisses", "T-WOMEN", "put-putt", "Was geschah wirklich zwischen den Bildern" - , Auszeichnung mit zahllosen internationalen Filmpreisen), stieß bei der Erforschung der Vorgeschichte des Films auf das Schattenspiel. Organisierte mit seiner Mitarbeiterin Uschi Richert zusammen im Frühjahr dieses Jahres im Schloß Oberhausen eine vielbeachtete Ausstellung, "SCHATTEN-PROJEKTIONEN", mit 22 bildenden Künstlern, die sich mit dem Phänomen des Schattens auseinandersetzten.
Nekes wollte mit dem Festival das Bewußtsein schärfen, daß das Schattenspiel ein wichtiger Bereich der Medienkunst ist. Das Schattentheater ist seiner Meinung nach ein wichtiger Vorläufer der Medien und darf nicht zur Volkskunst gezählt werden.

Das traditionelles Schattentheater ist im Gegensatz zum modernen gut erforscht. Es wurde viel darüber geschrieben, so daß ich mich ganz darauf beschränken kann, meine persönlichen Erfahrungen bei dem Festival zu schildern.
Um es gleich zu sagen: das Festival war, was die Organisation als auch das künstlerische Niveau der Bühnen anlangt, first class. Die Veranstaltungen wurden gut besucht. Die zum Teil weit gereisten Zuschauer kamen voll auf ihre Kosten und zeigten sich mit dem Ablauf hoch zufrieden. Es war ein großer Vorteil, daß fast alle Veranstaltungen an ein und demselben Ort (im Ebertbad) stattfanden. Man fühlte sich bald heimisch. Hier traf man alte Bekannte und konnte in kleinem Kreis Gespräche führen. Der Saal im Ebertbad war für die Vorstellungen wie geschaffen. Unter den seitlichen Arkaden konnte man indischen und türkischen Figurenherstellern bei der Arbeit zusehen, Schattenfiguren käuflich erwerben und die großartige Schattenfigurensammlung des Dt. Ledermuseums studieren. Die ringsumführende Empore gab die Möglichkeit, den Aktiven hinter der Bühne zuzuschauen, ohne sie beim Spiel zu stören. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als der Schattenschirm immer als Trennwand zwischen Publikum und Akteuren empfunden wird. Gleichzeitig diente die Empore als Speiseraum, wo man indische Küche genießen konnte.
Fremde Sprachen – Fremde Kulturen
Das besondere Problem bei diesem Festival waren die Barrieren der fremden Sprachen und der fremden Kulturen (Islam, Buddhismus, Taoismus, Hinduismus). Die Organisatoren hatten dieses Problem sehr intensiv bedacht. Sie lieferten dem Zuschauer zu jeder Aufführung eine mehrseitige Information (historischer und kultureller Hintergrund, Figurengestaltung, Spieltechnik, Musik und Inhalt des Stückes). Außerdem gaben Experten unmittelbar vor dem Spiel eine Einführung mit nochmaliger Inhaltsangabe. Wenn es das Stück erlaubte, wurde es an geeigneter Stelle unterbrochen und in Fortsetzungen weitererzählt. Man war als Zuschauer dafür dankbar und empfand es nicht als Störung. Ich beobachtete bei mir selbst und auch beim Publikum, daß von den wunderschönen, filigranen Figuren, von der Musik, von der fremden Sprache eine große Wirkung ausging. Wenn man sich mitnehmen ließ, tauchte man in eine Traumwelt ein.
Selten aber gab es Momente, in denen man auf Grund des Spielgehalts oder des Wortes betroffen war, wie das bei einer guten Inszenierung eines Stückes aus unserem Kulturkreis der Fall ist. Mir scheint, die kulturelle Distanz ist zu groß, zu tief die Kluft der unterschiedlichen geistesgeschichtlichen Entwicklungen. Nur einmal geschah es und zwar bei der Aufführung des griechischen Schattenspiels mit Evgenios Spaatharis, daß der Funke voll auf das Publikum übersprang. Der Grieche verstand es, dem Publikum eine Lachsalve nach der anderen zu entlocken. Dabei spielte er voller überraschender Einfälle geschickt mit pantomimischen und akustischen Möglichkeiten. Es nimmt nicht Wunder, daß gerade ihm dies gelang. Spatharis entstammt dem europäischen Kulturkreis. Er kannte die Theatererwartung des Festivalpublikums und spielte dieses Wissen meisterlich aus. Diese Erfahrung bestärkt mich auch in der Meinung, daß der Versuch, fernöstliches Schattenspiel nach Europa zu übertragen, zum Scheitern verurteilt ist. Was wir brauchen, ist die Entwicklung eines eigenständigen europäischen Schattentheaters, das auf die großartige Tradition des Theaters (von Shakespeare über Max Reinhardt bis zu Konstantin Stanislawski und Bertolt Brecht) und der Bildenden Kunst (besonders des 20. Jahrhunderts) aufbaut. Die Entwicklung der letzten 10 Jahre zeigt, daß auf dieser Basis großartiges, tiefbeeindruckendes Schattentheater gemacht werden kann. Der Beweis hierfür wird von den Bühnen alle drei Jahre bei den internationalen Schattenspieltagen in Schwäbisch Gmünd erbracht.


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