„Schön, wenn man seinen Augen nicht trauen kann.
Und doch rückt der Blick alles zurecht: Sehmaschinen und Bilderwelten aus der Sammlung Nekes im Kölner Museum Ludwig.
Georg Imdahl, FAZ
.... Selten blickt man in einer Ausstellung in so viele entgeisterte, staunende, so lustvoll-neugierige Gesichter von jung und alt wie in der höchst unterhaltsamen Schau mit „Sehmaschinen und Bilderwelten“ aus der Sammlung des Mülheimer Filmemachers Werner Nekes. Im Kölner Museum Ludwig skizziert sie eine veritable Kulturgeschichte der visuellen Bildmedien. Wo zuletzt noch der amerikanische Verwandlungskünstler Matthew Barney ein Bodybuildingstudio für eine dröhnende Phantasie eingerichtet hatte, herrschen jetzt Illusionen und Augentäuschung.
Hunderte von historischen Apparaturen, Automaten, Instrumenten, Installationen, dazu Stiche, Aquarelle, Fotografien und Filme erschließen in chronologischer Form und enzyklopädischer Fülle ein schier unerschöpfliches Arsenal der optischen Suggestionen. Die Schau liefert üppiges Material für die Inszenierung von Sein und Schein, der vermeintlichen Tiefe des Raumes und der simulierten Bewegung in der Zeit. Das Panoptikum illustriert visuelle Animationen vom chinesischen Schattenspiel aus dem zweiten Jahrtausend v. Chr. bis zum „Scopitone“, dem filmischen Pendant zur Jukebox, das die französische Firma Cameca in den fünfziger Jahren entwickelt hatte: Groschengrab fürs Kintopp. Die Schau ist gleichermaßen populär wie theoretisch fundiert, ein ausführliches Glossar im Katalog leistet die nötige Hilfestellung. Mustergültig verbinden sich Augenlust und Erkenntnisdrang. Der Reiz der manipulierten Wahrnehmung liegt stets in der Gewissheit des Trugbildes, in der sehenden Erfahrung wie bereitwillig und mit welch einfachen Mitteln auch immer sich das Auge all die „falschen“ Tatsachen vorspiegeln lässt - ob das nun der Dämon ist, der seinen Rachen aufreißt oder die Seifenblase, die auf dem Stroboskop aus dem neunzehnten Jahrhundert gen Himmel steigt.
Breiten Raum nehmen die unterschiedlichsten Spielarten der „Anamorphosen“ ein, die der perspektivischen Verzerrung auch im „Ames-Raum“ gesetzmäßige Gestalt verleiht – eine Erfindung, an deren Anfang Leonardo da Vinci steht. Eine Wolke von seiner Hand verwandelt sich beim Betrachten aus schräger Aufsicht in einen Kinderkopf. Barock und Rokoko machen daraus ein Gesellschaftsspiel und verfeinern die Techniken der Täuschung mit glatt polierten Metallkegeln, in denen sich das Sujet, auf dem Papier so platt wie ein Pfannkuchen, als naturgetreues Abbild spiegelt. Kleeblatt, Seiltänzer oder das Liebespaar beim Akt. Die Barock-Architektur delektierte sich an tonnenüberwölbten Korridoren, die sich nach hinten jäh verjüngen, um Länge und Tiefe vorzugaukeln. Heute dient die planmäßige Verzerrung der Orientierung – auf Autobahnasphalt werden Verkehrszeichen dem spitzen Blickwinkeln des Autofahrers angepasst.
„Durchsehekunst“ nennt Werner Nekes den ersten Teil seiner Dokumentarfilmreihe „Media Magica“ über die Geschichte der Medien. Seine Sammlung, entstand in dreißig Schaffensjahren des vielfach ausgezeichneten Experimentalfilmers, nicht nur mit der inszenierten Imagination mit bühnenreifen Lichtspielen und Schattenwundern in Perspektivtheatern und Guckkästen, kinetischen Kabinettstückchen auf rotierenden Wunderscheiben oder Exemplaren der Camera obscura oder Laterna Magica. Die Kollektion verschafft Durchblick für die Ursprünge der heutigen Medienmagie und Medienmanie. Beide lassen sich auf den Besitzer der Sehmaschinen und konstruierten Bilderwelten übertragen. Fast ein Traumbild, dass so reiche Ressourcen in einer einzigen privaten Hand gebündelt sind. Georg Imdahl
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