Uliisses

französich "Einer der aufregendsten, schönsten und innovativsten Filme der letzten Jahre
Wir sind an ein Kino gewöhnt, das mit Geschichten spielt, statt mit den ihm eigenen Illusionsmöglichkeiten, mit Licht und Bewegung. Joyce löste eine Literaturrevolution aus, indem er zurückgriff auf Bekanntes und es umarrangierte ... Nekes hat nicht mit experimentellen Mitteln Joyce verfilmt. Joyce leistet nur Hilfestellung. Sein Verhältnis zur literarischen Sprache wirft ein Licht auf Nekes' Verhältnis zu den Kinobildern, wie er mit ihnen umgeht und in welcher Absicht.

Uliisses

So beginnt Frieda Grafe ihre Kritik zu einem der aufregendsten, schönsten und innovativsten Filme der letzten Jahre. "Uliisses" ist die Summe all der vielen aufregenden, schönen und innovativen Filme, die Werner Nekes - das Wort vom Propheten und seinem Heimatland fällt einem ein seit 1967 zu einem Filmemacher gemacht haben, der - zusammen mit seiner Frau Dore 0. - international höchste Reputation genießt und zu den wichtigsten deutschen Regisseuren gezählt wird, der indessen bei uns nur einem kleinen Kreis Eingeweihter bekannt ist, die ihn zudem immer noch gern in das Ghetto des Experimentellen verweisen.

Uliisses

Nekes hat nicht erst mit "Uliisses" dieses Getto verlassen, den Weg zum Spielfilm, ins Kino, auf die große Leinwand, zum "normalen" Publikum gesucht - aber mit "Uliisses" hat er ihn gefunden; das einzig Experimentelle an ihm sei, sagt er, die lächerliche Summe von dreihunderttausend Mark gewesen, mit denen er arbeitet und auskommen mußte. Aber sein Film ist ein Beweis mehr, daß der deutsche Film nicht an den Zuschüssen genesen wird, daß zwischen Reichtum an Geld und Phantasie nicht unbedingt ein Zusammenhang bestehen muß, auch nicht zwischen Mitteln und Ergebnis. "Uliisses" ist, kein Zweifel, ein Unterhaltungsfilm, einer, der Spaß macht und Vergnügen.
Und zwar eines, das sich ohne weiteres einstellt. Damit freilich erschöpft sich der Film nicht, noch lange nicht. Das Zitat von Frieda Grafe oben war nicht nur als Hinführung gedacht, sondern als Einladung, ihren ganzen Text in der "Süddeutschen Zeitung" vom 3. 2. 84 nachzulesen. Denn, machen wir uns nichts vor, an dieser Stelle kann man dem Film nicht gerecht werden, nicht seinem Reichtum und seiner Vielschichtigkeit. Über Andeutungen werden wir hier nicht hinauskommen: daß Nekes Motive von Homer verwendet, Motive auch von Joyce, dessen Dublin durch das Ruhrgebiet (die Heimat Nekes') an einem Tag im Jahr 1980 ersetzt wird, dessen Odysseus Uli is', der Fotograf, der sie mit Licht schreibt, seine "Lichteratur".

Uliisses

Szenen aus dem 24-Stunden-Stück "The Warp" von Neil Oram kommen dazu. Vor allem aber: Der "Gegenstand dieser Odyssee ist die Bildsprache selbst, das Sehenlernen und Sehenwollen" (Dietrich Kuhlbrodt). "Uliisses" ist eine Reise durch die Geschichte der Kinematographie, eine Anthologie ihrer Prinzipien und Erfindungen, jener Wunderdinge, die halb Kinderspielzeug, halb wissenschaftliches Gerät, den Film erst ermöglicht haben (und ihn heute weiterführen könnten) und die der große Sammler Nekes liebevoll zusammengetragen hat. In seinem Film dienen sie ihm dazu, das mit Optik und Licht zu tun, was Joyce mit der Sprache getan hat.
Man muß das alles nicht wissen und kennen; aber es erhöht den Spaß und den Genuß. So wie es den Genuß erhöhen wird zu lesen, was Frieda Grafe zu dem Film zu sagen hat oder Bazon Brock oder Eva M. J. Schmid, die ihre Gedanken in vier langen Annäherungen in "Kirche und Filme" veröffentlicht hat (sie werden, zusammen mit einem langen Essay Frieda Grafes, demnächst in einem Buch über Nekes nachzulesen sein). "Uliisses" ist ein Film, den man sozusagen auf mehreren Ebenen sehen kann: ganz naiv, als Vexierspiel, aber auch als ein komplexes Kunstwerk. Man kann wie ein Scout all die Anspielungen suchen und den optischen Geräten, Spielzeugen, Prinzipien nachspüren - man hätte Lust, wie die Fans von Arno Schmidt ein Dechiffriersyndikat zu gründen. "Uliisses", dem die "Arbeitsgemeinschaft der Filmjournalisten" den Preis der Filmkritik 1983 zugesprochen hat, ist ein Film, den man, hat man ihn auf der großen Leinwand gesehen, wieder und wieder sehen möchte. Es gibt ihn übrigens auch als Videokassette."(Walter Schobert, Fischer-Film-Almanach 1984, S. 193/4).

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