Der Tag des Malers

Gianni Rondolino
Nekes’ Der Tag des Malers im Malkasten

Die Erotik des Sehens

„Der Tag des Malers“ von Werner Nekes ist einer der interessantesten und anregensten Filme der letzten zwanzig Jahre. Er ist der Höhepunkt von Nekes langer Karriere als experimenteller Filmmacher, als ausdauernder Erforscher visueller und dynamischer Techniken, als Autor von avantgardistischen Filmen. Der Tag des Malers ist eine Arbeit, die dieses Mal die Vision und den Blick erforscht, ein Film über die Beziehung zwischen Maler und Modell, über den Voyeurismus in der Malerei sowie in der Kinematographie, ein Voyeurismus der zugleich den Maler oder den Regisseur wie auch den Betrachter einbezieht. Das Bild steht im Zentrum erotischer Verwandlung. Und es ist gerade diese Erotik der Vision, die das Thema des Films ist, der sich in anderthalb Stunden mit der Suche nach einer Lösung der Frage beschäftigt, die sich schon zu Beginn des Films stellt: Wie sieht Albrecht Dürer 1538 in seiner Unterweyssung der Messung den weiblichen Akt und wie lässt sich der weibliche Akt darstellen? Nekes beginnt in der Tat mit Dürer und dem Bild eines weiblichen Aktes, um es allmählich zur Musik von Anthony Moore zu verwandeln. Dies geschieht in einer Serie von sich bewegenden Bildern, die sich unaufhörlich verändern, um uns fast die gesamte westliche Kunstgeschichte durchleben zu lassen. Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart – wir begegnen Realismus und Impressionismus, Expressionismus und abstrakter Kunst, Kubismus und Hyperrealismus.

Der Tag des Malers


Aber immer bleibt Nekes im Rahmen der Kinematographie auch wenn sie elektronisch und computerisiert ist. Es ist ein erstklassiges Unterfangen, ein faszinierender Film, der uns zum Sehen führt, der uns zeigt, wie ein Bild entsteht, als Gemälde oder als Einstellung. Er gibt den Visionen Zeit, so dass wir sie uns zu Eigen machen können.
Regisseur Nekes aus Erfurt, 53 Jahre alt, hat in Freiburg studiert und lebt in Mülheim/Ruhr. Er war Mitbegründer der Filmmacher-Cooperative in Hamburg, dem ästhetischen Reflex auf 1968. Er hat eine lange Serie von experimentellen Kurzfilmen realisiert, die sofort internationales Interesse ausgelöst haben und mehrfach prämiert worden sind. Sogar mit dem Bambi
Gianni Rondolino
La Strampa, Turin,02.09.1997

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