Schattentheater der Welt


IV. Thailand: Nang Yai

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Das Thailändische Schattentheater - Nang Yai
Wat Khanon Troupe

Geschichte und Eigenart des Nang Yai
Man unterscheidet in Thailand das Nang-Yai (= große Lederpuppen) bzw. das Nang-Luang (= das Königliche Nang) von dem später entstandenen Nang-Talung, dessen Name von der Provinz Pattalung abgeleitet ist. Nang-Yai bedeutet Haut, Tierhaut, Pergament oder Leder.

Die Geschichte des Nang-Yai-Schattenspiels läßt sich bis ins Jahr 1458 zurückverfolgen. In diesem Jahr wird es in dem vom König Boromtrailokanart erlassenen "Palastgesetz" erwähnt. In diesem Gesetz fordert der König, daß das Nang-Yai bei Staatsanlässen und königlichen Festen, bei der Segnung von Soldaten oder Waffen oder bei der Gründung einer neuen Stadt aufgeführt werden solle.

Das Nang-Yai kann - im Unterschied zum Nang-Talung, der in Thailand ebenfalls bekannten und beliebten volkstümlichen Form des Schattentheaters- als eine Form des "höfischen Theaters" mit einer inneren Beziehung zum Tanzdrama bezeichnet werden.
Es vereinigt verschiedene Elemente des künstlerischen Schaffens: die kunstvolle Herstellung der Figuren, die musikalische Darbietung, den Tanz, die Rezitation epischer Texte sowie den gesprochenen dramatischen Dialog.
Im Unterschied zu den sonst üblichen beweglichen Figuren des Schattentheaters sind die aus Büffel- oder Rinderhaut hergestellten bis zu 2 m großen Figuren des Nang Yai unbeweglich. Diese Figuren sind handwerkliche Meisterstücke, die entweder mit traditionellen dekorativen Thai-Motiven sehr farbig gestaltet oder in Schwarz bzw. in dunklen Farben gehalten werden. Sie werden von Tänzern emporgehalten, welche zum Rhythmus der Musik Tanzschritte vornehmen und dabei die Puppen im Einklang mit der epischen Rezitation bewegen. Die Spieler können hinter der Leinwand, auf welche die Schatten projiziert werden, agieren, jedoch auch vor ihr, so daß die Zuschauer gleichzeitig die Bewegungen der Tänzer und der Puppen wahrnehmen können. Da die Beine, Arme und Münder der Figuren unbeweglich sind, zeigt sich die Kunst der Spieler im Tanz bzw. im dramatischen Schattenwurf.

Bis zum heutigen Tag sind die dargestellten Begebenheiten traditionell dem Ramakien, der thailändischen Fassung des indischen Ramayan-Epos, das von den heroischen Kämpfen und Abenteuern des Gottessohnes und Königs Rama berichtet, entnommen. Die Ramakien-Version wurde 1798 von Rama I konzipiert.
Der Text der vom Rezitator zur Musikbegleitung vorgetragenen epischen Teile ist durch Versformen künstlerisch gestaltet.
Diese erzählen die Handlung bzw. die Vorgeschichte der Handlung, schildern jedoch auch die Charaktere und Gefühle der dargestellten Personen. Die Dialoge sind in freiere Versformen gefaßt und gestatten dem Rezitator Improvisationen, die manchmal sehr brisante Anspielungen auf aktuelle politische und soziale Probleme enthalten. Heute ist das Kultusministerium für die Anpassung dieser Aufführungsteile an die Gegenwart zuständig.
Früher wurde ein Feuer aus Kokosschalen etwa 1,5 m über dem Boden als Beleuchtung hinter der Leinwand entzündet. Die züngelnden Flammen erfüllen das Spiel der Puppenschatten mit geheimnisvollem Leben. Heute wird das Feuer durch elektrische Scheinwerfer ersetzt.
Ursprünglich begleiteten fünf Instrumente Rezitation, Gesang und Tanz: Oboe, Zimbel, zwei Paar kleine Trommeln, ein Bambusschlagzeug und eine Sanduhrtrommel. Später wurde ein ganzes Orchester engagiert, wobei ein Xylophon die Führung übernahm, während - bei besonders dramatischen Szenen - noch Gongs, Pauken, Zimbeln und Trommeln jeder Größe eingesetzt wurden.
Die Musikkapelle, die in Thailand Pipath-Ensemble genannt wird, ist vor der Leinwand plaziert. Sie besteht aus einem oboenähnlichen Holzblasinstrument (Pl), zwei "Hängetrog"-Xylophonen (Ranat ek), einem Gongspiel (Khongwong yai), einer Trommel mit Schnurspannung (Taphon), zwei Trommeln mit Nagelspannung (Glongthat) und einem Paar Handzimbeln (Ching). Das Ranat Ek übernimmt die Rolle des Dirigenten.
Nach Beendigung der Aufbauarbeiten (Errichten der transparenten Leinwand) werden die Schattenbilder in Gruppen wie Helden und Götter, Frauen, Dämonen und Affen in der Reihenfolge angeordnet wie es das Spiel verlangt.
In der Einleitungszeremonie werden die Götter angerufen und um das Gelingen des Spiels gebeten. Daneben wird die Qualität der Spiele und des Orchesters sowie die Schönheit der Figuren gerühmt. Damit wird die Aufmerksamkeit der Besucher auf die Hauptakteure der Aufführung gelenkt.

Nach einem Vorspiel, in dem der Kampf und Sieg eines weißen Affen gegen einen schwarzen dargestellt wird, beginnt der Hauptteil des Stücks. An der Einleitungsmelodie erkennt das Publikum bereits die erste Figur noch vor ihrem Erscheinen, denn es gibt spezielle Melodien für die verschiedenen - guten oder bösen - Figuren, deren Charaktere stereotyp festgelegt sind. Höhepunkt des Spiels, das insgesamt einen Kampf zwischen hellen und dunklen Mächten darstellt, ist der Sieg des Phra Ram.

Mindestens 10 Spieler werden für eine Vorstellung benötigt. Der Leiter der Bühne, Kon Jad Nang, muß die Handhabung der Figuren sowie die Gestaltung der Handlung fortwährend überwachen.
Es ist sehr zu bedauern, daß aufgrund der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung und des Einflusses der westlichen Kultur und Zivilisation in Thailand - nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang der Siegeszug des Kinos - die Tradition des Nang-Yai-Schattentheaters bedroht ist. Die hochrangigen Schattenspieler und Rezitatoren sind meist schon sehr alt, und es ist fraglich, ob sich noch jüngere Menschen von den erfahrenen Lehrmeistern für diese Kunst ausbilden lassen wollen. Das Nang-Yai-Schattentheater lebt von den Live-Aufführungen und einem Publikum, das bereit ist, diese Kunst mitzutragen und finanziell zu unterstützen.

Inhaltsangabe (Synopse): "Hanuman bringt Phra Rams Ring zu Sida"
Sida ist entführt worden. Phra Ram und Phra Lak nehmen unverzüglich ihre Verfolgung auf. Visvakam, der Gott des Handwerks, erbaut ihnen im Dschungel einen Pavilion und hinterlegt dort als Geschenk des Gottes Indra ein prinzliches Gewand. Phra Ram und Phra Lak geben alsdann ihr asketisches Leben auf und bemühen sich mit prinzlichem Habitus um die Rettung Sidas. Sukreep und Hanuman führen den Prinzen von Chomphu ein, der seine Hilfe bei der Verpflichtung einer Armee von Affenkriegern anbietet. Phra Ram schickt Hanuman, Onkhot und Chomphuphan, Tossakan's Stadt Longka auszukundschaften und einen geeigneten Lagerplatz zu finden. Er übergibt Sida's Ring und ihren Schal dem Hanuman als Erkennungszeichen. Die drei Krieger und eine Armee von Affen marschieren in Richtung Südwest.

Als es dämmert schlagen die Affen am Ufer eines Sees ihr Lager auf. Onkhot bemerkt eine ungewöhnliche Menge von Tierknochen am Ufer und bittet, zwischen Hanuman und Chomphuphan schlafen zu dürfen. Der See ist in der Tat von dem Schutzdämon Paklan bewohnt, einem aufsässigen Engel, verflucht von Gott Vishnu zu einem Leben voller Mühe und Drangsal. In tiefer Nacht taucht Paklan aus dem See auf und findet die schlafenden Affen. Er ist wütend über die Eindringlinge und im Glauben der elegant gekleidete Onkhot sei ihr Anführer tritt er den Schlafenden. Ein wilder Kampf entbrennt, in dessen Verlauf es den Affen gelingt, den Dämonen gefangen zu nehmen. Paklan beschwört Onkhot, ihn zu töten, da Vishnu's Fluch nur dann von ihm genommen werde, wenn ein Krieger des Phra Ram ihn töte. Onkhot entspricht seinem Wunsch und Paklan kehrt in den Himmel zurück.

Hanumans Armee setzt ihren Marsch fort und trifft auf einen verlassenen Palast, der einst König Tawan von Mayan gehörte. Hanuman durchstreift den Palast und findet die eingekerkerte Busmalee. Sie erzählt ihm, daß der Gott Isvara sie zu 30 000 Jahren Kerker verdammt habe, wegen Ehebruch mit König Tawan. Der Fluch kann nur von ihr von einem Soldaten des Phra Ram, dem sie den Weg nach Longka zeigt, genommen werden. Hanuman bedrängt sie und sagt, er sei der erwartete Krieger. Sie mißtraut ihm und verlangt einen Beweis. Hanuman zaubert den Mond und die Sterne herbei und sie verrät ihm sodann den Weg nach Longka. Zur Belohnung schickt er sie zurück in den Himmel.
Als nächstes treffen sie auf Phra Samut, Hüterin der Meere. Als sie von ihrer Mission hört, weist sie ihnen den Weg nach Südwest. Diesmal muß Hanuman sich in einen Koloß verwandeln, der als Brücke zur Überquerung des Ozeans dient.

Als die kleine Affenarmee den Berg Hematirun erreicht, ist sie erschöpft und entmutigt. Hanuman versucht sie aufzumuntern und erzählt von der Heldentat des Sadayu. Dies vernimmt der sie belauschende große Vogel Sampatee, der in einer nahe gelegenen Höhle haust. Auf Sampatee lastet der Flucht des Sonnengottes Athitya, er werde all seine Federn verlieren, bis er die Stimmen von Phra Rams Soldaten vernehme. Als er erfährt, daß diese Handvoll Soldaten die Vorhut der Armee des Phra Ram ist, bittet er sie, ihn von dem Fluch zu befreien. Dafür will er ihnen den Weg zu ihrem Ziel weisen. Sie sind einverstanden und das Federkleid des Vogels wird wieder normal. Mit Hanuman, Onkhut und Champhuphan auf dem Rücken fliegt er über den Ozean in Richtung von Longka. Zur Orientierung zeigt er ihnen den Berg Nilakala. Hanuman bittet seine Kameraden, ihn alleine weiterreisen zu lassen. Longka's Meereswache in Gestalt eines Unholds entdeckt Hanuman nahe der Insel und fängt ihn. In dem folgenden Kampf fliegt Hanuman in das Maul des Unholds, wieder aus seinem Ohr heraus. Dann taucht er hinunter in die Eingeweide, erkämpft sich einen Weg heraus durch den Magen und tötet schließlich den völlig erschöpften Unhold.
Hanuman fliegt weiter und verwechselt den Berg Solot mit dem Berg Nilakala, dem Wahrzeichen, und landet am Fuß des Berges. Dort trifft er auf Phra Nartrishi, einen Asketen. Hanuman verwandelt sich in einen wilden Affen und nähert sich so dem Asketen, um nach dem Weg zu fragen.

Von ihm erfährt er, daß er die Stadt überflogen hat und, da es beginnt zu dunkeln, bittet er, über Nacht bleiben zu dürfen. Der Asket erlaubt ihm, in einem großen Zelt zu schlafen. Um die Zauberkraft des Asketen zu prüfen, bläst Hanuman seinen Körper auf, bis er das Zelt fast sprengt und beklagt sich lauthals, daß es zu klein für ihn sei. Phra Nartrishi merkt sofort, daß er es nicht mit einem normalen Affen zu tun hat und ruft einen plötzlichen Regensturm hervor. Hanumans Körper schrumpft in dem kalten Regen wieder auf seine ursprüngliche Größe. Der Asket jedoch beschließt, Hanuman eine Lehre zu erteilen. Er wirft seinen Stock in einen nahegelegenen Teich, wo dieser sich in einen Blutegel verwandelt. Als Hanuman sich am nächsten Morgen dort wäscht, saugt der Egel sich an seinem Kinn fest und läßt nicht los, was immer Hanuman auch anstellt. Hanuman muß den Asketen um Hilfe bitten, um den Egel loszuwerden. Phra Nartrishi rät ihm, andere Menschen nicht zu beleidigen. Hanuman bereut und bittet um Vergebung.
Als er sich der Stadt Longka nähert, wird er wiederum von einem Unhold, Arkatalai, dem Anführer der städtischen Luftpatrouille, aufgehalten. Er kämpft mit der Patrouille und tötet alle. Er überwindet schließlich auch Arkatalai, das letzte Hindernis in der Erfüllung seines Auftrags. In der Dämmerung erreicht Hanuman schließlich das Stadttor von Longka. Er verwandelt sich in einen jungen Dämonen, um ungestört durch die Straßen und zwischen ihren Bewohnern umherstreifen zu können. In dieser Nacht benutzt er seine Zauberkraft, um die ganze Stadt in tiefen Schlaf zu versetzen. In Gestalt eines Affen durchsucht Hanuman alle Palastgebäude nach Sida. Dann überprüft er die Paläste von P., I. und den des Tossakan. Da seine Suche vergeblich ist, kehrt er zu Phra Nartrishi zurück, um ihn um Rat zu bitten. Als der endlich von der wahren Mission des mächtigen Affen erfährt, verrät er dem Hanuman, daß Sida in einem Palastgebäude der Vergnügungsgärten des Tossaka festgehalten wird. Hanuman eilt in die Gärten, um sie zu befreien. Sida ist jedoch so schwer bewacht, daß Hanuman beschließt, sich zu verbergen und eine Gelegenheit abwartet, um sich ihr zu nähern.

Währenddessen besucht Tossakan Sida, um ihr den Hof zu machen. Sie jedoch beschimpft und beleidigt ihn und weist alle Annäherungsversuche seinerseits zurück. Immer wenn er sich ihr nähert, spürt er sengende Hitze. Schließlich verliert er die Geduld und verläßt wütend den Palastgarten. Die Kammerfrauen machen Sida Vorwürfe, daß sie Tossakan abgewiesen hat. Sida beweint in tiefem Schmerz ihr Unglück. Später in der Nacht beschließt sie, sich durch Erhängen zu töten. Hanuman jedoch, der alles beobachtet hat, rettet sie. Dies ist der Augenblick, ihr zu sagen, daß er im Auftrag Phra Ram's zu ihrer Rettung gekommen sei und ihr als Erkennungszeichen den Ring und den Schal zu überreichen.

Nach der Übergabe in der Morgendämmerung beschließt Hanuman, den Gegnern seine Macht zu demonstrieren. Er verwüstet die Gärten des Tossakan, entwurzelt eine große Anzahl von Bäumen und erschreckt die Wachen zutiefst mit seiner gewaltigen Stärke und Zauberkraft. Sie schreien um Hilfe. Hanuman gibt vor, sich zurückzuziehen und tötet dann eine große Zahl der ihn verfolgenden Dämonen. Der Rest flieht. S., die 1000 Söhne des Tossakan, sind wütend und schwärmen aus, den einsamen Affenkrieger zu vernichten. Im folgenden Kampf tötet Hanuman sie alle ganz allein. Die Nachricht über die großen Verluste erreichen Tossakan, der seinen Sohn 1. beauftragt, den Affen gefangen zu nehmen. I. benutzt das magische ...."Nagabus", um Hanuman zu fangen. Der Affenkrieger entkommt jedoch mit trickreicher Schläue und, eine Spur von Verwüstung und Chaos in der Stadt Longka und unter ihren Einwohnern hinterlassend, kehrt zu Phra Ram zurück, um Bericht zu erstatten.

Erzähler:                     
Satian Changkate

Spieler:           
Chalaj Sae-Ua
Chakad Mabangyang 
Pichet Pichanjit
Anurak Pichanjit
Charan Sae-Ua
Boonyun Kongdee
Sa-Nae Chakate
Supote Naknakha
Suwatchai Sudsong
Tor-Sak Nakpachon

Musiker:                     
Chantr Thongma
Eang Sae-Ea
Chalad Duanchay
Uam Komhorn
La-Or Kumlamai
Somneuk Kumlamai

Leiter der Gruppe:                
Sanga Jimli

Betreuung:                  
Dr. Chacorn Vipusanavanish
Prof. Sone Simatrang
Niratana Klaewthanong
Rudolph Ganz
Frau von Enzberg

Handzettel:                  
Uschi Richert

Übersetzung:   
R. Tilmann

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