Kelek

Der Zuschauer soll sich im Sehen üben

Werner Nekes, der aktivste und experimentierfreudigste Filmmacher der Hamburger Gruppe, zeigt bei XSCREEN seinen ersten langen Film: "Kelek". Der Film ist eine konsequente Weiterführung der Techniken, die Nekes bereits in seinen Kurzfilmen entwickelt hat. Es ist eine strenge geometrische Organisation des filmischen Materials bei einer äußersten Begrenzung der Bildwelt. Die Einleitung zu "Kelek" besteht aus einer "schludrigen", verwackelten Kamerafahrt durch einen Park; die restlichen 55 Minuten sind aus vier Elementen zusammengesetzt: ein Blick aus einem Kellerfenster durch ein Rost auf die Straße; ein Blick von oben auf die Beine eines Mädchens und den Boden, auf dem es geht; einen im negativ belassenen Geschlechtsakt des Filmmachers; eine starre Einstellung einer Straße. Dieses - seinem Inhalt nach- banale Material unterwirft Nekes ständig leisen Veränderungen, und er will durch extrem lange Einstellungen den Zuschauer zwingen, sich im Sehen zu üben und diese Veränderungen wahrzunehmen.

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Doch zeigt "Kelek" zugleich die Grenzen der Methodik von Nekes. Es ist fraglich, ob die vorgenommene Organisation ausreicht, die Banalität des Materials zu neutralisieren. Die Gefahr besteht, daß die Banalität so überwältigend ist, daß sie den Film insgesamt erfaßt. Auch dürfte die didaktische Absicht durch die aufkommende Langeweile beim Zuschauer erschlagen werden. Das Publikum jedenfalls entdeckte ein weiteres Element an "Kelek": Es nahm ihn als eine Art Popfilm und reagierte entsprechend mit Geräuschen und Zwischenrufen. Die Unterhaltung, die Nekes dem Publikum verweigerte, besorgte sich dieses auf intelligente Weise selbst.

Hans Peter Kochenrath, Kölner Stadtanzeiger, 21.01.1969

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