Alabastra-Theater

[gr.: alábastros = Edelgips, der seinen Namen durch den Fundort nahe der ägyptischen Stadt Alabastron, ca. 300 v.Chr. erhielt]
Eine besondere Art der Zusammenführung von *Projektion und Theatervorstellung.
Der Begründer der deutschen Kinoindustrie Oskar Messter (1866-1944) griff 1910 mit kinematographischen Mitteln eine ältere Idee auf, die bereits 1863 vom englischen Physiker der Royal Polytechnic Institution in London John Henry Pepper (1821-1900) als wirkungsvolles Ausstattungsmittel des Zaubertheaters angewendet und unter dem Namen Pepper’s Ghost bekannt geworden war. Messters Verfahren, das sog. Alabastra-Theater, sollte den plastischen Film ersetzen. Es bestand aus einer transportablen Bühne von 3 x 4 x 3m. Unter der Bühne befand sich ein Kinoprojektor, der ein Filmbild, das nur Personen vor einem schwarzen Hintergrund darstellen durfte, auf eine Leinwand warf. Dieser undurchsichtige Bildschirm und der *Projektor standen auf gleicher Ebene - unterhalb der Bühne - und konnten vom Zuschauer nicht gesehen werden. Das Bild, welches das Publikum zu sehen bekam, reflektierte von dieser um 30° geneigten Leinwand auf eine durchsichtige Glasscheibe, die derart angebracht war, daß sie sich direkt vom Boden der Bühne hochzog. Das Publikum sah die projizierten Personen, als würden sie auf dem Boden der Bühne körperlich stehen und sich in der wirklich vorhandenen Dekoration bewegen. Die Idee hatte, wenn auch in einer etwas abgewandelten Form, in den *Tanagra-Theatern auf Rummelplätzen Nachahmer.

Aléthoskop

[gr.: állos = anders; skopeô = schauen, sehen]
Ursprüngliche Bezeichnung für *Megalethoskop.
Anaglyphen [gr.: aná = gemäß, entsprechend umstellen; glypte = geschliffener Stein]
Anáglyphikós = erhabenes Relief.
Photographien oder Zeichnungen, deren linke bzw. rechte, in verschiedene Farben gehaltene Teilbilder übereinander kopiert werden. Bei Betrachtung mit komplementärfarbigen Brillen (z.B. rot-grün oder rot-blau) entsteht dabei ein räumlicher Eindruck.
Die Tatsache, daß der rote Filter nur rotes Licht passieren läßt und grünes absorbiert, wobei der grüne Filter nur grünes Licht passieren läßt und rotes Licht absorbiert, macht man sich beim Anaglyphenverfahren zunutze. Jedes der zwei *Stereoteilbilder wird in zueinander komplementären Farben eingefärbt, im Anschluß daran werden die einfarbigen Halbbilder in einem einzigen Bild überlagert. Um diese überlagerten Bilder bei der Betrachtung den Augen wieder getrennt zuführen zu können, werden die bei der Aufnahme benutzten komplementären Farbfilter verwendet. Durch den roten Filter kann das grüne Bild in seinen Kontrasten wahrgenommen werden (die grünen Stellen erscheinen dann dunkel, weil das grüne Licht absorbiert wird) und umgekehrt. Auf diese Weise kann je nach Filter jeweils eines der überlagerten Bilder wahrgenommen werden, wobei damit die notwendige Trennung der beiden Teilbilder gelungen ist. Dieses Verfahren wurde 1853 von dem deutschen Mathematiker Wilhelm Rollmann (1821-1890) und unabhängig davon 1858 von dem französischen Wissenschaftler Jean Charles d’Almeida erdacht. Louis Ducos du Hauron (1837-1920) vertrieb sie1894 in Paris.
Anamorphose [gr.: aná = gemäß, entsprechend umstellen; morphe = Gestalt, Form]
Umgestaltung oder gesetzmäßig verzerrte Darstellung. Sie offenbart eine deutbare Gestalt erst nach der Entzerrung, durch Sichtwinkelveränderungen (z.B. Betrachten von der Seite) oder Benutzung eines geometrischen Spiegelkörpers oder einer Prismenoptik.
Anamorphosen verdeutlichen die Möglichkeit der Perspektive, unser Sehvermögen zu trügen. Die *Zentralperspektive täuscht Raum auf der Bildebene vor. Ihre Erfindung zwischen 1400 und 1500 leitete eine neue Zeit ein. Das Bild der Welt in einfache meßbare und begreifbare Linien zu zerlegen, veränderte die Kunst des Abendlandes. Um perspektivisch exakt zu zeichnen, bedienten sich die Künstler verschiedener Zeichenhilfen. Albrecht Dürer (1471-1528) benutzte als mechanisches Utensil ein Velum. Es bestand aus einem Holzrahmen mit einem Netz aus schwarzen Fäden. Vor dem Netz fixierte er den Visierstab und somit die Position seines Auges, den Blickpunkt. Beim Betrachten durch das Okular übertrug er die Umrisse des darzustellenden Objekts oder Modells auf eine gleichfalls in Quadrate eingeteilte Zeichenfläche. Beim Einnehmen eines anderen Blickpunktes konnten verkürzte oder verlängerte Perspektiven, veränderte Proportionen von Gegenständen gezeichnet werden, ohne sie zu entstellen. Nach denselben perspektivischen Gesetzen ist auch die Anamorphose konstruiert. Es handelt sich dabei um eine extreme Form, bei der ein Bruch zwischen Gestalt und Aufzeichnung stattfindet. Sie verdankt ihr Entstehen den gleichen Umständen, dem Austauschen des Blickpunktes innerhalb des Rasters. Die erste bekannte Anamorphose stammt von Leonardo da Vinci (1452-1519): eine wolkenähnliche Zeichnung, die beim schrägen Beschauen als ein Kinderkopf 'entzerrt‘ wahrgenommen werden konnte. Eine frühe Beschreibung publizierte I. L. Vaulezard 1630 in seiner Schrift Perspective cylindrique et conique, die er mit einer um 1625 entstandenen Zeichnung von Simon Vouet (1590-1649) illustrierte. Während aber für Leonardo oder den Dürerschüler Erhard Schön (1491-1542) die Anamorphose noch ein kühnes optisches Experiment war, wurde sie um 1630 bei den Pariser Minimen (gelehrte Mönche eines Minoritenordens in Rom) zum Gegenstand systematischer Untersuchungen. François Nicéron (1613-1646) und Jacques Ozanam (1640-1717) schrieben frühe theoretische Abhandlungen über die Anamorphose, die ihre Blütezeit im 17. Jahrhundert hatte. Verbreitet wurde sie auch über den Cartesianismus mit seinen philosophischen Zweifeln als Abwandlung des christlichen Vanitas-Gedankens. Auch bot die Anamorphose für Themen mit zweideutigem Inhalt eine ideale Tarnung. Im 18. Jahrhundert erfreute sich diese Kompositionsform mit verzerrter Perspektive großer Popularität, doch sie verlor gleichzeitig ihren metaphysischen Inhalt. Sie hielt als unterhaltsame optische Belustigung Einzug in die Haushalte. Anamorphosen werden in optische (*Längenanamorphosen, Anamorphosen auf geometrischen Körpern), katoptrische (Kegel-, *Pyramiden-, Prismen-, Zylinderanamorphosen) und dioptrische Anamorphosen ( das Bild entschlüsselt sich in der Betrachtung durch eine facettierte Linse)unterteilt. Heute haben sie in modifizierter Form eine praktische Rolle im Alltag: Aufgemalte Zeichen und Aufschriften auf der Fahrbahn sind auf den spitzen Blickwinkel des Autofahrers abgestimmt.
Anamorphot [gr.: aná = gemäß, entsprechend umstellen; morphe = Gestalt, Form]
Anamorphotisches Spezialobjektiv, welches das Kinobild horizontal um fast die Hälfte preßt und dann mit entsprechender Projektoroptik entzerrt wiedergibt.
Anamorphoten werden meist mittels Zylinderlinsen realisiert und dienen zur Erzielung eines Breitwandeffekts (*Cinemaskop). Dabei wird bei der Aufnahme durch die *Optik der horizontale Bildwinkel derart gestaucht, daß er das Filmbild vollends auszeichnet und bei der anschließenden *Projektion durch einen weiteren Anamorphoten so gedreht, daß das ursprüngliche Verhältnis von horizontalem zu vertikalem Bildwinkel wiederhergestellt und die aufgenommenen Gegenstände in ihren normalen Proportionen wiedergegeben werden. Der Mathematiker und Astronom Henri Chrétien (1870-1956) vom Optischen Institut in Paris hat 1925 das Verfahren entwickelt, das ihm 1952 von der 20th Century Fox abgekauft wurde und als Cinemascope-Breitwandbild herauskam.

Anorthoskop

[gr.: anorthô = berichtigen, skopeô = schauen, sehen]
Gerät zur Veranschaulichung des optischen Täuschungsphänomens der Verzerrung.
Um 1824 untersuchte der Engländer Peter Mark Roget (1779-1869) folgende stroboskopische Täuschung, die als *Zaunphänomen bezeichnet wird: Sieht man durch einen Zaun einen Wagen, der vorüberfährt, so scheinen dessen Räder stillzustehen und die Speichen verlieren ihre Form. Unterstützung erfährt dieses Phänomen auch durch die *Nachbildwirkung. Wahrnehmungstäuschungen, die sich z.B. an Zahnrädern beobachten lassen, weckten die Neugierde mehrerer Wissenschaftler. Hervorgehoben sei der englische Physiker Michael Faraday (1791-1867), dessen Studien um 1821 in einen Apparat mit zwei gegeneinander drehbaren Zahnrädern mündeten. Bei gleicher Geschwindigkeit und Zähneanzahl boten sie den Eindruck eines feststehenden Rades. Wenn hingegen die Geschwindigkeit oder die Zähneanzahl differierten, bewegte sich der Zahnkranz scheinbar. Diese Anregung griffen der belgische Physiker Joseph Plateau (1801-1883) für seine Phenakistiskopscheiben und der Wiener Simon Stampfer für seine stroboskopischen Zauberscheiben auf. 1828 konstruierte Plateau das Anorthoskop, das erst 1836 in Frankreich für den Verkauf hergestellt wurde. Das Anorthoskop besteht aus zwei rotierenden Scheiben, die auf einer gemeinsamen Achse befestigt sind. Während auf der transparenten Scheibe eine anamorphotische Zeichnung dargestellt ist, weist die andere Scheibe vier kreuzförmig angeordnete Schlitze auf. Beim Drehen kann man die Darstellung durch die Schlitze entzerrt wahrnehmen, abhängig von dem Geschwindigkeitsverhältnis und der Rotationsrichtung der beiden Scheiben zueinander. Dem liegt die Bedingung zugrunde, daß die Scheibe mit der verzerrt gezeichneten Figur sich in entgegengesetztem Sinne viermal so schnell um dieselbe Achse dreht wie die Spaltscheibe. Der Beobachter kann dann das stehende Bild entzerrt betrachten.
Anthropomorphe Landschaftsbilder [gr.: anthropos = Mensch; zoe = Leben; morphein = Gestalt annehmen]
Bilder mit gemalten oder gezeichneten Naturszenerien, die durch eine 90°-Wendung menschliche Gestalt annehmen. Auch zoemorphe Landschaftsbilder genannt, wenn Tierwelten in den Bildern versteckt sind.
Der Versuch, in den Rahmen eines einzigen Bildes 'Porträts‘ aus sogenannten 'Landschaftsmontagen‘ zu fassen, wurde im 17. und 18. Jahrhundert mehrfach von Künstlern unternommen. Erwähnt sei hier Matthäus Merian (1669-1716), dessen anthropomorphe Landschaft Athanasius Kircher (1602-1680) seiner Ars magna lucis et umbrae (1646) publizierte. Denn für den Jesuitenpater kam das grandiose Schauspiel der Natur einem Wunder gleich, das von dem Gegensatz der Formen und eigenartigsten Kombinationen lebt, deren Zusammenhang Menschen den Gedanken einer schöpferischen Mannigfaltigkeit der Natur eingeben soll. Ähnliche, um 1780 entstandene 'Naturdenkmäler‘, die gleichfalls Bewunderung und Erstaunen hervorrufen sollten, schuf auch Johann Martin Will mit seinen Bildern.
Applikationsbilder Auch Tinselbilder genannt. Als Tinsel werden kleinformatige, ausgestanzte und reliefierte Gold- und Silberplättchen bezeichnet, die in verschiedenen Formen hergestellt wurden.
Als Schnüre, Bordüren oder Borten, aber auch als einzelne Sternchen, Monde, Rosetten und Blüten wurden Tinsel zur Ausgestaltung von Buchbinderarbeiten benutzt. Die häufigste Verwendung fanden Tinselmontierungen zur Verzierung von Wandschmuck. Die schablonenkolorierten Kreidelithographien, meist noch mit schwarz gestrichenem Rand, wurden ausgiebig mit Tinseln beklebt. Dabei betonte man die Konturen und Stoffmuster. Profane wie religiöse Bildmotive wurden von englischen und deutschen Bilddruckverlagen zwischen 1860 und 1875 herausgegeben. In den Applikationsbildern waren zweifellos Nachklänge der barocken Andachtsbildchen, mit Applikationen von Stoff und Metallfäden ausgestattet, zu erkennen.
Autochrome [gr.: auto = in Zusammensetzungen auftretendes Bestimmungswort mit den Bedeutungen selbst, eigen; chrome = Farbe]
Farbphotoplatten nach dem Kornrasterverfahren der Gebrüder Lumière.
Die ersten farbigen Diapositive, bei denen das Bild erstmals in einem Belichtungsgang erzeugt werden konnte, nennt man Autochrome. Als Erfinder gelten die Brüder Auguste Marie Nicolas (1862-1954) und Louis Jean (1864-1948) Lumière, vor allem bekannt durch die Erfindung des ersten brauchbaren *Kinematographen. Sie brachten 1907 die schon 1903 entwickelte farbige Autochrome-Platte auf den Markt. Die Technik war ein additives Rasterverfahren, wie es schon Arthur Louis Ducos du Hauron (1837-1920) Mitte des 19. Jahrhunderts zur Anwendung der Dreifarbentheorie vorgeschlagen hatte. Mikroskopisch kleine Körner der Kartoffelstärke wurden zu gleichen Teilen rot, grün und blau eingefärbt, dann gemischt und auf die Platte aufgetragen. Die Zwischenräume füllte man mit Ruß. Unter der Stärkekörner-Rußlage befand sich eine lichtempfindliche Gelatineschicht. Die Platten lieferten nach der Entwicklung ein Diapositiv. Die so erhaltenen Bilder eigneten sich als Vorlagen für den Farbendruck, vor allem aber für die *Projektion. Noch war das Verfahren aber etwas umständlich und nicht für Amateure geeignet. Dies änderte sich erst 1916, als die Firma Agfa ein neues Verfahren entwickelte: das Kornrasterverfahren bestand nicht mehr aus Stärkekörnchen, sondern aus gefärbten Harzpartikeln.
Automat [gr.-lat.-franz.: automat = sich selbst bewegend]
Vorrichtung, die einen technisch eingeleiteten Vorgang ohne weiteres menschliches Zutun steuert und regelt.
Die Vorläufer der Automaten reichen bis in die Antike zurück. Überliefert sind u.a. Beschreibungen von einer fliegenden hölzernen Taube (um 400 v.Chr.) über eine kriechende Schnecke bis hin zum Androiden (Automaten in Menschengestalt) des Astronomen Claudius Ptolemäus (87-165. v.Chr.). Es handelte sich um geniale Mechanismen nach einfachen physikalischen Gesetzen, z.B. der Hydromechanik oder Pneumatik. Vom griechischen Mathematiker Heron von Alexandrien (um 150-100 v.Chr.) stammt ein Weihwasserautomat, der vor dem Tempel aufgestellt war und gegen Einwurf eines Geldstücks Weihwasser abgab. Auch hat er eine Automatenbühne - eine Art mechanisches Theater - entwickelt, deren Maschinerien von heißem Wasserdampf angetrieben werden mußten, um eine komplette Vorstellung zu geben. Anfang des 16. Jahrhunderts tauschten sich Leonardo da Vinci (1452-1519) und der Arzt und Philosoph Agrippa von Nettesheim (1486-1535) auf diesem Gebiet aus. Ersterer attestierte den bewegungsfähigen Automaten sogar eine gewisse 'Lebenskraft‘. Schon Mitte des 16. Jahrhunderts begann man Automaten zu bauen, die tanzten, Lauten schlugen, Flöten spielten, Gewehre abfeuerten u.v.m. Doch erst in Verbindung mit der von René Descartes (1596-1650) und Isaac Newton (1642-1727) geprägten mechanistischen Weltanschauung, wurden Automaten wieder erfolgreich. Berühmt wurden im 18. Jahrhundert die Automaten des französischen Physikers und Mechanikers Jacques de Vaucanson (1709-1789). Neben der körnerfressenden und -verdauenden Ente entstanden 1738 ein Flötenspieler und ein Tamburinspieler in seiner Wekstatt. Übertroffen wurden sie noch durch die sprechenden Androiden, die nicht nur Töne, sondern auch Worte ähnlich der menschlichen Sprache hervorbrachten. Die Wertschätzung der vollkommenen Automatenillusion war so groß, daß auch Geräte gebaut wurden, die gar nicht wirklich automatisch funktionierten, sondern von einem raffiniert verborgenen Menschen bedient wurden. Das berühmteste Beispiel ist der schachspielende Türke (1769). Als im Zuge der Industrialisierung im frühen 19. Jahrhundert die Technik immer alltäglicher wurde, verflog auch die Begeisterung für Automaten, und es vollzog sich ein Wandel: Die ehemals als mechanische 'Kunststücke‘ betrachteten Automaten lebten um die Mitte des Jahrhunderts nunmehr als Spielwarenfabrikationen wieder auf.